Der Verlust identitätsstiftender Architektur

IKZ

Podiumsdiskussion mit Ratsvertretern über Stadtentwicklung und den Umgang mit alter Bausubstanz.

Podiumsdiskussion mit Ratsvertretern über Stadtentwicklung und den Umgang mit alter Bausubstanz.

Angesichts zahlreicher in jüngerer Vergangenheit abgerissener Altbauten in der Innenstadt ist es wohl mehr als nur ein undefinierbares ungutes Gefühl, wenn Peter Treudt von der Initiative „Iserlohn-denkmal“ darüber klagt, dass der Erhalt von identitätsstiftender Architektur in Iserlohn einen nur geringen Stellenwert besitzt. Welches Maß an Sensibilität die im Rat der Stadt vertretenen Parteien im Umgang mit alter Bausubstanz aufbringen und welche Vorstellungen sie zur Stadtentwicklung verfolgen, sollte bei einer Podiumsdiskussion mit Ratsvertretern am Donnerstag im Lutherhaus erörtert werden, zu der „Iserlohn-denkmal“ gemeinsam mit dem Heimatverein Letmathe und dem Heimatverein Ortsring Oestrich Vertreter der Fraktionen eingeladen hatte.

„Wahlprüfsteine“ als Grundlage für die Diskussion

Es war ein weites Feld, dem sich die Diskussionsteilnehmer im gut gefüllten Saal an der Obersten Stadtkirche widmeten, das von den Organisatoren im Vorfeld durch sogenannte „Wahlprüfsteine“ abgegrenzt worden war, um ein Ausufern der Debatte zu vermeiden. Ein wenig erfolgreicher Versuch, zumal schon die erste von Moderator Jürgen Friske gestellte Frage nach den Partei-Positionen zur künftigen Stadtentwicklung den Akteuren auf dem Podium reichlich Raum zur politischen Selbstdarstellung bot.

Dass eine Beschränkung auf die Revitalisierung innerstädtischer Bereiche trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen nicht die einzige Antwort sein könne, hob Detlev Köpke für die FDP hervor am Beispiel des Neubaugebiets Dahlbreite in Sümmern. Die dortigen Einfamilienhaus-Grundstücke seien blitzschnell verkauft gewesen, wodurch ein Bedarf auch an neuen Baugebieten dokumentiert worden sei. Michael Schmitt (CDU) sieht es derweil als Aufgabe kommunaler Politik an, einen „gesunden Mix“ zwischen Neubau und Revitalisierung herzustellen, gerade auch, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken. Die Grundstücke in „Dahlbreite“, so Schmitt, seien zu zwölf Prozent an Mendener Haushalte, zu drei Prozent an Hemeraner Haushalte und zu 20 Prozent an sonstige Externe veräußert worden.

Gegen die Ausweisung von neuen Baugebieten sprach sich Manuel Huff (Linke) aus – gerade auch angesichts der Vielzahl von Flächen, die in den letzten Jahren zur Bebauung zur Verfügung gestellt worden seien. „Für uns steht der Umbau im Bestand und die Entwicklung von innerstädtischen Brachflächen im Vordergrund“, betonte Huff, der in diesem Kontext die von der ev. Landeskirche geplante Bebauung im Ortlohn-Park als Negativ-Beispiel für eine zukunftsträchtige Stadtentwicklung bezeichnete. „Wollen wir wirklich alle restlichen Grünflächen im innerstädtischen Bereich zupflastern?“ Immer neue Baugebiete seien zudem kontraproduktiv mit Blick auf die Innenentwicklung. Die Zahl der Leerstände nehme auch deswegen zu, weil es umfangreiche Möglichkeiten zum Bau auf der grünen Wiese gebe – und dies gehe einher mit enormen Wertverlusten für die Eigentümer von Innenstadt-Immobilien.

„Es gibt kein Recht auf Eigenheim“, spitzte Harald Eufinger die Position der Bündnisgrünen zu, dass Iserlohn keine neuen Baugebiete benötige – auch wenn seine Fraktion der „Dahlbreite“ noch zugestimmt habe. Scharfen Widerspruch erntete er jedoch umgehend von Manuel Huff, der daran erinnerte, dass die Grünen im Rat in den vergangenen Jahren für alle neuen Baugebiete die Hand gehoben hätten – und dies auch aktuell im Fall Ortlohn täten.

Stadt soll Schlüsselobjekte gezielt aufkaufen

Huff war es dann im Anschluss auch, der kritisch mit der aus seiner Sicht fehlenden Sensibilität des Stadtrates beim Denkmalschutz ins Gericht ging. Gebäude unter Schutz zu stellen, werde von den politischen Gremien in Iserlohn nicht als Chance, sondern als Last empfunden. „Hier lässt man Altes immer weiter verfallen, bis der Abriss alternativlos ist.“ Der Ratsherr der Linken forderte einen „Sinneswandel“ und eine aktivere Rolle der Kommune selbst ein, die gezielt städtebauliche Schlüsselobjekte aufkaufen und sanieren sollte. Dieses positive Vorbild könne dann durchaus private Nachahmer finden, so Huff. „Wir müssen mehr auf gesamte Ensembles achten, nicht den Blick nur auf Einzelimmobilien richten.“

Den gezielten Ankauf prägender Immobilien hält auch Michael Schmitt für ein punktuell geeignetes Instrument. Der CDU-Ratsherr erinnerte in diesem Zusammenhang an den einstimmigen Ratsbeschluss, der Wohnungsgesellschaft IGW nun auch Aufgaben der Stadtentwicklung zu übertragen. „Wir haben in der Vergangenheit nicht genug für den Denkmalschutz getan“, räumte derweil Harald Eufinger ein, „wir haben aber auch erst jetzt mit der IGW das Instrument, um hier selbst tätig zu werden.“

Vor überzogenen Forderungen gegenüber der Kommune warnte indes CDU-Fraktionschef Rolf Kramer, der die Diskussion bis dahin nur als Gast und Zuhörer verfolgt hatte. Allein schon aus finanziellen Gründen sei es unmöglich, dass die Stadt in großem Stil als Erwerber und Sanierer von Immobilien auftrete. Fraktionskollege Schmitt erinnerte überdies an die Verantwortung der privaten Eigentümer, während Detlev Köpke auf den schmalen Grat zwischen Wünschenswertem und Machbarem hinwies. Zudem, so Köpke, sei es eine Frage der Betrachtung und ausgesprochen subjektiv, welche Gebäude als stadtbildprägend und wertvoll eingeschätzt würden.

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